Eine Übersicht der neurologischen Krankheiten, die unserer Praxis behandelt werden.
Karpaltunnelsyndrom
Zu den häufigsten Symptomen, die Patienten zum Neurologen führen, sind Schmerzen in Armen und Händen. Oft werden diese Beschwerden durch Druckschäden an Nerven hervorgerufen, wobei man einmalige Schädigungen, wie z.B. das berühmte Stoßen am "Musikantenknochen", also am Ellenbogen, und immer wieder auftretende, sogenannte chronische Druckschäden medizinisch unterschiedet. Meist treten diese Schäden am Arm im Bereich der großen Gelenke auf. Das Ergebnis sind lokale Gewebsveränderungen, die letztlich zu einem Missverhältnis zwischen der Größe des Nervenkanals und dem Platzbedarf des Nerven selbst führen.
Die häufigste Form dieser als Neuropathie bezeichneten Erkrankung, stellt im Bereich des Armes das sogenannte Karpaltunnelsyndrom dar, bei dem es sich um ein typisches Medianuskompressionssyndrom handelt. In diesem speziellen Fall liegt eine Einengung des Mittelnervens, dem Nervus medianus, im Handwurzelkanal des Handgelenkes unter dem quer verlaufenden Band, dem Retinaculum flexorum, vor. Auslöser ist nicht selten eine Überbeanspruchung der betreffenden Körperregion. Aber auch Knochenbrüche und Stoffwechselerkrankungen, wie Diabetes mellitus oder Gicht, können dieses Krankheitsbild erzeugen.
- man erwacht, meist wenige Stunden nach dem Einschlafen, und empfindet ein Schwellungsgefühl in der Hand, welches oft mit quälenden und manchmal elektrisierenden Missempfindungen verbunden ist
- die Finger versteifen sich zunehmend, ohne dass sich eine äußere Veränderung bemerkbar macht
- durch Schütteln und Massieren der Hand erzielt man oft eine Linderung
- häufig strahlen die Schmerzen bis in den Bereich des Ellenbogens und in die Schultern
- im fortgeschrittenen Stadium schlafen die Hände sogar am Tag bei manuellen, also monotonen Arbeiten ein
- meist beginnen die Beschwerden an der Arbeitshand, können später aber auch an der anderen Hand auftreten
Zunächst wird durch eine klinische Untersuchung beim Hausarzt, durch einen Handchirurgen oder Orthopäden der Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert. Anschließend muss eine elektroneurographische und/oder elektromyographische Untersuchung durch den Neurologen erfolgen. Nur er kann sowohl eine Bestätigung als auch eine Feststellung über den Schweregrad erheben.
Hierbei ist es entscheidend, die vorhandene Nervenleitgeschwindigkeit zu bestimmen, da u.a. der Schweregrad einer Nerveneinengung von der Verringerung dieses Wertes direkt abhängt.
Sollten nur subjektive Beschwerden vorliegen oder die Symptome nur während der Schwangerschaft auftreten, hilft oftmals schon das nächtliche Anlegen einer gut gepolsterten Unterarmgipsschiene.
In anderen Fällen wird der Neurologe zu einer operativen Maßnahme raten. Das Grundprinzip eines solchen Eingriffes, der von Handchirurgen übrigens ambulant durchgeführt werden kann, ist die Spaltung des beugeseitigen Haltebandes. Die Operation erfolgt unter Oberarmbetäubung oder einer Kurznarkose und kann sowohl als offener, als auch endoskopischer Eingriff durchgeführt werden. Nach ca. 1/4 Jahr sollte das Ergebnis durch eine neurologische Kontrolluntersuchung überprüft werden.
Depressionen
Es müssen nicht die großen „Katastrophen“ sein, die zu einer Depression führen. Manchmal sind es für uns banal scheinende Ereignisse, die unsere Gefühle plötzlich aus dem Ungleichgewicht bringen. Die traurige Verstimmtheit geht weit über uns alle betreffende Stimmungsschwankungen hinaus. Ein bloßes „sich Zusammennehmen“ reicht nicht mehr, um das Tief zu überwinden. Unser Leiden äußert sich dann oft in Sätzen wie:
„Wenn ich nicht mehr richtig arbeiten kann, tauge ich nichts mehr.“
„Ich bin nichts mehr wert. Mich mag ohnehin keiner, denn ich bin auch keinem etwas wert.“
„Am liebsten würde ich einschlafen und nicht mehr aufwachen, denn ich will meine Ruhe haben.“
„Nichts hat Bedeutung. Nichts macht mehr Spaß. In mir ist nur Einsamkeit und Leere.“
Wenn solche traurigen Phasen, in denen das Leben nicht mehr aus normaler Perspektive wahrgenommen wird, über mehrere Wochen oder sogar Monate anhalten, könnte es sich um eine depressive Erkrankung handeln.
Der Begriff „Depression“ wurde vom lateinischen „deprimere“ abgeleitet, welches soviel wie „unter- niedergedrückt“ bedeutet. Depressionen sind schwerwiegende Erkrankungen, aber keine Geisteskrankheit und haben nichts mit Charakterschwäche zu tun ! Es bestehen gute Heilungschancen, soweit die Behandlung konsequent und lange genug erfolgt.
Niemand muss sich dafür schämen, eine solche Diagnose gestellt zu bekommen, oder sie dann als Erkrankung anderen mitzuteilen!
Man schätzt, dass rund 50% der 4 bis 5 Millionen in Deutschland an einer Depression erkrankten Menschen nicht adäquat behandelt werden, da viele Patienten ihre Symptome nicht ernst nehmen oder sich scheuen, auf Grund dieser zum Arzt zu gehen. Körperliche Beschwerden überdecken oft die seelischen Symptome und Letztere sind leider heute noch immer weniger akzeptiert als ein „verstauchtes Handgelenk“.
Betroffene leiden nicht nur unter der Erkrankung, sonder also auch unter den Vorurteilen in der Bevölkerung. Paradoxerweise sehen sich viele unter dem Zwang, sich gegenüber Nichterkrankten, welche den Zustand einer langanhaltenden Depression dankenswerterweise nie kennengelernt haben, rechtfertigen zu müssen.
Ärztliche Hilfe sollten Sie immer dann in Anspruch nehmen, wenn die folgend beschriebenen Stimmungen durch Sie selbst oder durch ihr Umfeld nicht mehr bewältigt werden können. Beachten Sie aber: das typische Aussehen einer Depression gibt es nicht ! Die genannten Symptome treten einzeln, in Kombination oder meist vielfältig durchmischt auf.
- Niedergeschlagenheit
- Gefühl der inneren Leere
- Eigene Fähigkeit, das Aussehen und das soziale Ansehen werden in Frage gestellt
- Grübelneigung oder Grübelzwang
- Affektstarre – sich nicht mehr richtig freuen oder weinen können
- Unfähigkeit, überhaupt noch Gefühle zu entwickeln
- Schwierigkeiten oder Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen
- Gefühle der Hoffnungs- und Hilflosigkeit
- Schlaflosigkeit und Einschlafprobleme
- Bedrücktheit und Lustlosigkeit
- Ängste, Ratlosigkeit und sogar Verzweiflung
- Lebensselbstverständlichkeit ist in Frage gestellt
- soziale Kontakte werden reduziert und allgemeine Tendenz zum Rückzug
- pessimistische Zukunftssicht
- Lebensüberdruss, Selbsttötungsgedanken
körperliche Beeinträchtigungen:
- unerklärbares Engegefühl in Hals und Brust
- Atembeschwerden
- Rückenbeschwerden
- Gewichtsverlust, Magen-Darm-Beschwerden
- Kopfschmerzen (oft „Helmgefühl“)
- Muskelverspannungen im Schulter-Nacken-Bereich
- Verlust von Libido und Potenz
Die Eine, also allgemein gültige Ursache für Depressionen gibt es nicht. Vielmehr unterliegt die Krankheit bei jedem einzelnen Patienten speziellen Umständen, Ereignissen und Persönlichkeitsfaktoren.
Zunächst erfolgt durch den Arzt eine Abgrenzung zu anderen Krankheiten, wie Schilddrüsenerkrankungen, Nebenwirkungen von Medikamenteneinnahmen, Durchblutungsstörungen im Gehirn oder Begleiterscheinungen von chronischen Schmerzzuständen. Er unterscheidet verschiedene depressive Erkrankungen voneinander, erkennt den vorliegenden Schweregrad und entscheidet auch, ob ein eventueller Krankenhausaufenthalt notwendig ist.
Grundsätzlich ist die möglichst frühe Erkennung der Krankheit wichtig. Je eher eine Therapie erfolgt, umso größer sind die Chancen für einen bleibenden positiven Behandlungserfolg. Dem Arzt stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Er entscheidet ob eine reine Psychotherapie oder eine medikamentöse Therapie, die eine Psychotherapie oft erst ermöglicht, angezeigt ist. Die Verschreibung von Antidepressiva kann übrigens nur durch einen Arzt erfolgen.
Ziel der Therapie ist es unter anderem, entlastende Gesprächen zu bieten, neue Hoffnung zu vermitteln, Anleitung zu eigenverantwortlichem Handeln zu geben, Überforderungen zu erkennen und diese abzubauen, den Kontakt zur Außenwelt neu zu gestalten und eine Strukturierung des Alltags vorzunehmen.
Eine Heilung ist aber nichts zuletzt davon abhängig, inwieweit Sie als Patient die eingeleiteten Therapiemaßnahmen mitgestalten und konsequent einhalten.
Eine depressive Erkrankung kommt nicht über Nacht und kann ebenso wenig über Nacht verschwinden.
Ihr Arzt wird Sie durch die schwierige Zeit begleiten, Sie aufklären, Ihnen zuhören, Sie aber auch Schritt für Schritt fordern. Sobald es Ihnen besser geht, erhalten Sie Hilfe dabei, Ihr neugewonnenes Lebensgefühl aktiv zu stabilisieren.
Es geht um die Wiederherstellung Ihre Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und Freude am Leben.
Restless Legs Syndrom - RLS
Man schätzt, dass in Deutschland etwa 4-8 Millionen Menschen am RLS leiden. Sie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die auch leider heute noch selten erkannt oder oft fehldiagnostiziert wird.
Viele Menschen leiden, meist in Ruhesituationen, unter Missempfindungen in den Beinen. Vor allem nachts und im Sitzen entsteht ein starker Drang, die Beine zu bewegen. Patienten beschreiben dieses Gefühl oft mit dem Satz:
„Irgendetwas im Innern meines Beines/ meiner Beine zwingt mich dazu, diese zu bewegen, als würden sie von allein weglaufen wollen.“
Wird diesem Drang nachgegeben, bessern sich die Beschwerden oft während der Bewegung selbst. Treten die Symptome zu Zeiten der Bettruhe auf, führen sie bei rund 90% der Betroffenen zu Ein- oder Durchschlafstörungen. Man wird zum sogenannten „Night Walker“ – einem „Nachtläufer“. Auch wenn dies Linderung verschafft, bringt es den Patientin aber gleichzeitig um einen Teil des notwenigen Schlafes, was wiederum gesundheitliche Probleme mit sich führt.
Patienten nehmen die Symptome am Anfang meist nicht ernst, halten sie nicht für Zeichen eine Krankheit, oder glauben, dass der Weg zum Arzt nicht nötig sei. Erst wenn die Beschwerden schon die Lebensqualität einschränken und nicht mehr tolerierbar sind, wird ein Arzt aufgesucht. Hinzu kommt, dass viele Betroffene ihr Leiden anderen nur schwer beschreiben können, Mühe haben sich verständlich zu machen.
Das Restless Legs Syndrom kann in jedem Alter auftreten und die Merkmale sind im Einzelfall nicht immer von gleicher Stärke. Es gibt häufig kürzere oder längere Perioden, in denen man von den oben beschriebenen Auswirkungen betroffen ist. Treten die Symptome jedoch täglich auf, sollte dieses Krankheitsbild gezielt medikamentös behandelt werden.
Die Beschwerden selbst sind schon seit Jahrhunderten bekannt, werden aber erst heute als relevante Erkrankung mit ganz eigener Pathophysiologie betrachtet und behandelt.
Beim Besuch des Facharztes unterscheidet dieser zunächst, ob es sich um eine idiopathische Form, bei der es keine zusätzlichen Faktoren, die die Erkrankung auslösen könnten gibt, oder um die symptomatische Form handelt. Bei letzterer lassen sich die Symptome auf ein anderes Krankheitsbild (Nierenerkrankung, Eisen und Vitaminmangel, rheumatische Erkrankungen, Polyneuropathien u.ä.), oder auf die Einnahme von Medikamenten oder bestimmter Substanzen, wie Alkohol, zurückführen. Auch in der Schwangerschaft können Beschwerden auftreten. Sie verschwinden aber meist kurz nach der Entbindung.
Geheilt werden kann das RLS noch nicht. Es gibt heute aber Medikamente, welche die motorischen und sensorischen Beschwerden bei mehr als 80% der Behandelten deutlich lindern. Ihr Arzt wird ihnen darüber hinaus Empfehlungen zur Schlafhygiene geben, mit ihnen gemeinsam also analysieren, welche Maßnahmen zusätzlich erforderlich sind, wie z.B. der Verzicht auf Kaffe und Alkohol. Er berät sie im Bezug auf den Umgang mit schwerer körperlicher Arbeit oder Stress und sorgt so dafür,
dass sie in Zukunft auch wieder ruhiger Schlafen können !
Migräne
Die Migräne ist ein anfallsartiger Kopfschmerz, der in unregelmäßigen Abständen wiederkehrt.
Manche Menschen haben nur ein- oder zweimal im Jahr eine Migräne. Andere leiden mehrmals im Monat oder gar fast täglich unter Migräne. Der Kopfschmerz ist pulsierend, pochend oder stechend. Er tritt häufig einseitig an einer Kopfhälfte auf, kann sich jedoch auf die andere Kopfseite ausdehnen.
Die Migräneattacken dauern wenige Stunden bis zu drei Tage. Bei Kindern und Älteren sind die Attacken häufig kürzer.
Der Schmerz wird meist begleitet von vegetativen Symptomen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Lärm- und Lichtscheu und Überempfindlichkeit gegenüber Lärm und Gerüchen. Jede körperliche Bewegung verschlimmert den Schmerz. Viele Patienten müssen wegen der quälenden Kopfschmerzen ihren normalen Tagesablauf unterbrechen und das Bett aufsuchen.
Eine Sonderform der Migräne ist die so genannte klassische Migräne oder auch Migräne mit Aura.
Hier kommt es bei 10 bis 15% der Patienten vor den Kopfschmerzen zu Sehstörungen oder anderen Anzeichen.
Diese werden als „Aura” bezeichnet und dauern etwa 15 bis 30 Minuten an.
Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Etwa 12 bis 14% aller Frauen und 6 bis 8% aller Männer in Deutschland leiden unter Migräne. Bei Klein- und Schulkindern bis zur Pubertät sind 4 bis 5% betroffen.
Ihre erste Migräneattacke erleiden die meisten Frauen bereits zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr und Männer im Alter von 16 bis 20 Jahren. Die Migräne erreicht bezüglich Häufigkeit und Schwere der Attacken ihren Höhepunkt zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr und klingt ab dem 55. Lebensjahr langsam aus.
Im Gespräch mit dem Facharzt kann eine Migräne in der Regel aufgrund der Krankheitsanzeichen eindeutig erkannt werden.
Aktuell unterscheidet man bis zu 16 verschiedene Formen von Migräne, allerdings leiden ca. 85% der Migräne-Patienten unter einer Migräne ohne Aura. Das charakteristische Merkmal ist der einseitig auf eine Kopfhälfte beschränkte pochende, pulsierende oder stechende Schmerz in Verbindung mit Übelkeit, Erbrechen, Licht– bzw. Lärmempfindlichkeit. Die Schmerzphase hält mindestens 4 Stunden lang an. Die Dauer der Migräneattacke ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal von anderen Kopfschmerzformen und sollte deshalb dem Arzt genau angegeben werden.
Kopfschmerz-Tagebuch
Ein Kopfschmerz-Tagebuch hilft bei der Diagnose von Migräne Hilfreich für Diagnose und Therapie ist es, über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen ein Kopfschmerz-Tagebuch bzw. einen -Kalender zu führen.
Betroffene sollten Zeitpunkt, Art, Stärke, Dauer, Begleiterscheinungen, mögliche Auslöser und eventuelle Medikation der Kopfschmerzen genauestens dokumentieren.
Dann können sie dem Facharzt ein detailliertes Bild ihrer Beschwerden geben.
Abgrenzung von anderen Kopfschmerzen
Weitere Untersuchungen sind nur notwendig, wenn der Verdacht besteht, dass die Kopfschmerzen nicht von einer Migräne herrühren.
Der Arzt wird den Patienten deshalb nach möglichen Grunderkrankungen befragen. Besteht ein begründeter Verdacht, werden weitergehende Untersuchungen eingeleitet – zum Beispiel eine Schichtaufnahme des Gehirns und des Schädels (Computertomografie, Kernspintomografie etc.).
Eine Migräne lässt sich meist in drei bis vier Phasen einteilen. Verschiedene Anzeichen – "Vorboten" – kündigen eine Migräneattacke an.
Ihnen folgt bei ca. 10 bis 15% der Patienten eine so genannte Aura, bevor die eigentliche Kopfschmerzphase erreicht wird.
In der abschließenden Rückbildungsphase verschwinden die Beschwerden allmählich.
Man unterscheidet zwei Formen der Migräne. Die klassische Migräne mit einer Aura und eine Migräne ohne Aura. Migräne-Formen ohne Aura beginnen häufig langsamer als die Migräne mit Aura, sie dauern länger an und beeinträchtigen die Patienten mehr als eine Migräne mit Aura.
Schwangere und Stillende leiden seltener unter Migräne.
- Vorboten (Prodromalphase)
Viele Patienten berichten über Anzeichen, die schon einen Tag zuvor die nächste Migräneattacke ankündigen können. Dem Schmerz gehen dann Hochstimmungen oder das Gefühl einer besonderen Leistungsfähigkeit voraus.
Andere leiden unter einer vermehrten Gereiztheit oder unter depressiven Verstimmungen. Manche entwickeln einen besonderen Appetit auf Süßigkeiten, vermehrten Hunger, haben Verstopfungen oder sie sind schläfrig und ungewöhnlich durstig.
Migräne mit Aura: Lichtblitze, Farben oder Doppelbilder möglich
Aura
Als Aura werden Zeichen bezeichnet, die dem Kopfschmerz direkt vorausgehen. Die Aura besteht häufig aus Sehstörungen, die sehr unterschiedlich sein können.
Manche Patienten sehen Lichtblitze oder Farben – am häufigsten flimmernde Zickzack-Linien, die in der Mitte des Sehens beginnen und sich langsam über das Gesichtsfeld ausbreiten.
Bei anderen Patienten kommt es zu blinden Flecken im Sehfeld, die sich langsam ausbreiten. Manche Patienten berichten über Schwäche, Taubheit oder ein Kribbeln im Gesicht, an der Hand oder an den Beinen einer Seite.
Es kann auch zu Störungen beim Sprechen kommen. Einige Patienten geben Schwindel, Gangunsicherheit oder Doppelbilder an. Aura-Anzeichen entwickeln sich meist über einen Zeitraum von 5 bis 10 Minuten (max. 20 Min.) und halten typischerweise etwa 15 bis 30 Minuten (max. 60 Min.) an.
Meistens setzt der Kopfschmerz erst nach dem Ende der Aura ein. Manchmal überlappen sich Aura und Kopfschmerz jedoch. Teilweise kommt es auch nur zu einer Aura ohne nachfolgenden Schmerz.
Alle Störungen der Aura sind nur vorübergehend, sie hinterlassen niemals bleibende Schäden.
- Schmerzphase
Der meist mittlere bis starke Kopfschmerz wird als pulsierend, pochend oder stechend empfunden. Er beginnt in der Regel auf einer Seite und breitet sich auf Stirn, Schläfe und Augenbereich aus.
Er kann sich später auf die andere Kopfseite ausdehnen. Etwa jeder fünfte Patient hat Kopfschmerzen auf beiden Seiten. Die Schmerzen treten nicht immer auf der gleichen Seite auf, vielmehr kann die Schmerzseite von Attacke zu Attacke wechseln.
Eine Migräneattacke dauert zwischen 4 bis 72 Stunden an. Sie beginnt häufig in den frühen Morgenstunden, etwa ein Viertel der Patienten wacht mit dem Migräneschmerz auf.
Typischerweise treten bei einer Migräne neben den Kopfschmerzen, fast immer Appetitlosigkeit sowie in vielen Fällen Übelkeit (80%) Erbrechen (40 bis 50%), Lichtempfindlichkeit (60%), Lärmempfindlichkeit (50%) bzw. Empfindlichkeiten gegen Gerüche (10%) auf.
Körperliche Aktivitäten und Stress verstärken den Schmerz.
- Rückbildungsphase
Am Ende der Kopfschmerzphase ändert sich der pulsierende Charakter oft zu einem gleichbleibenden Schmerz. Es folgt häufig eine Schlafphase, mit der die Migräneattacke abklingt.
Anschließend treten oft die entgegengesetzten Anzeichen der „Vorboten“ aus der Prodromalphase auf.
Trigger-Faktoren
Bestimmte innere und äußere Faktoren können eine Migräne begünstigen („triggern“), sind jedoch nicht ursächlich dafür verantwortlich.
Die Bandbreite dieser individuellen Migräne-Auslöser reicht von unregelmäßigem Schlaf, über Hormonveränderungen, bis hin zu bestimmten Nahrungsmitteln oder Alkohol und Wettereinflüssen.
Auch in der Entspannungsphase nach Stresssituationen kommt es häufig zu Migräneattacken, daher treten Anfälle oft am Wochenende oder im Urlaub auf.
Migräne ist eine chronische Erkrankung, die nicht heilbar ist. Sie kann aber heute so gut behandelt werden, dass die Lebensqualität der Betroffenen weniger eingeschränkt wird. Es stehen verschiedene Medikamente gegen den Kopfschmerz und die Begleiterscheinungen einer Migräneattacke wie Übelkeit, Erbrechen etc. zur Verfügung. Zusätzlich zur Medikation sollten Migräne-Patienten während einer Attacke idealerweise vor Reizen geschützt werden und sich in einem ruhigen, abgedunkelten Raum aufhalten. Bei häufigen Anfällen sollten ergänzend vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden.
Behandlungsmöglichkeiten bei akuter Migräne
Die akute Migräne-Therapie richtet sich nach der stärke der Beschwerden
Das Ziel einer medikamentösen Migräne-Behandlung ist es, den Kopfschmerz und die Begleitsymptome zu lindern. Spezielle Migräne-Medikamente sind keine allgemeinen Schmerzmittel und sollten daher nur während einer Migräneattacke eingenommen werden - dann aber so früh wie möglich; gleich zu Beginn der Kopfschmerzphase, nicht während der Aura.
Medikation bei leichten bis mittleren Schmerzen
Eine Migräneattacke mit leichten bis mittelgradigen Schmerzen kann mit rezeptfreien Wirkstoffen behandelt werden wie Acetylsalicylsäure oder nicht steroidalen Antirheumatika - wobei Brause- und Kautabletten besonders schnell wirken.
Generell sollten Sie mit Ihrem behandelnden Arzt absprechen, welche Medikamente Sie einnehmen. Denn: auch die in der Apotheke frei erhältlichen Substanzen haben Nebenwirkungen – z.B. können Acetylsalicylsäure und Ibuprofen die Magenschleimhaut schädigen. Bei vielen Patienten mit einer Migräne erweisen sich diese Arzneimittel zudem als zu schwach. Der Arzt kann dann stärkere und häufig auch verträglichere Medikamente verschreiben.
Migräne bei starken Schmerzen
Bei schweren Migräne-Attacken können so genannte Triptane angewandt werden. Tripatane dürfen nicht zu häufig eingenommen werden, da es sonst zu einem Dauerkopfschmerz (so genannter medikamenteninduzierter Kopfschmerz) kommen kann.
Bei starker Migräne sind Triptane wirksam
Triptane (Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan, Zolmitriptan) sind die am besten untersuchten Wirkstoffe bei der Akut-Therapie der Migräne, sie wirken auch gegen Übelkeit und Erbrechen. Triptane wirken gegen den Kopfschmerz. Die Medikamente imitieren die Eigenschaften des körpereigenen Botenstoffes Serotonin, mit dessen Hilfe die Weite der Blutgefäße reguliert wird. Sie werden daher auch als Serotonin-Agonisten bezeichnet. Triptane besetzen die Bindungsstellen von Serotonin auf den Gefäßen, was u.a. eine Verengung der Blutgefäße in den Hirnhäuten bewirkt, und den Migräneanfall unterbricht. Weiter hemmen sie die Freisetzung entzündlicher Eiweißstoffe im Gehirn sowie die Fortleitung von Schmerzimpulsen. Triptane helfen aufgrund ihrer spezifischen Wirkungsweise nur bei Migräne und Cluster-Kopfschmerz, nicht bei anderen Formen von Kopf- oder Gesichtsschmerzen.
Triptane sollten nach der Aura, zu Beginn der Kopfschmerzphase eingenommen werden. Sie können aber auch noch während einer Migräneattacke erfolgreich angewendet werden. Triptane haben allerdings eine begrenzte Wirkdauer. Bei längeren Migräneattacken kann es deshalb nach einer beschwerdefreien Zwischenzeit erneut zu Kopfschmerzen und anderen Symptomen kommen. Tritt nach Einnahme von einem Triptan eine Besserung der Beschwerden ein und nehmen die Beschwerden später wieder zu, so ist in der Regel die Einnahme einer zweiten Tablette möglich. Triptane sollten auf keinen Fall an mehr als 10 Tagen im Monat verabreicht werden. Triptan-Präparate sind als Tabletten, Zäpfchen, Nasensprays oder Spritzen zur Selbstinjektion im Handel. Mutterkornalkaloide und Triptane dürfen nicht zusammen oder kurz hintereinander eingenommen werden. Über mögliche Nebenwirkungen der verschreibungspflichtigen Migränemittel berät Sie Ihr Facharzt.
Mutterkornalkaloide
Die Mutterkornalkaloide galten früher als Mittel der Wahl zur Behandlung einer Migräne. Ergotamine (Ergotamintartrat, Dihydroergotamin) sind ursprünglich aus dem Mutterkorn-Pilz gewonnene Substanzen mit einer großen Wirkungspalette. Die Wirksamkeit von Ergotaminen bei einer Migräne konnte in Studien bisher allerdings nicht eindeutig belegt werden. Außerdem zeigen Mutterkornalkaloide keine Wirkung gegen die Begleiterscheinungen einer Migräne wie Übelkeit und Erbrechen, im Gegenteil sie können diese sogar als Nebenwirkung auslösen. Daher werden heutzutage Triptane bei der Migräne-Therapie bevorzugt. Migräne-Patienten, die mit Mutterkornalkaloiden zufrieden sind, brauchen das Medikament natürlich nicht zu wechseln. Ergotamin-Präparate sind als Tabletten im Handel. Sie sollten nicht häufiger als 10 Tage im Monat zur Behandlung der Migräne eingesetzt werden. Über mögliche Nebenwirkungen der verschreibungspflichtigen Migränemittel berät Sie Ihr Facharzt.
Begleitende Medikation
Migränemittel können nach Absprache mit dem Facharzt mit Mitteln gegen Übelkeit (Wirkstoffe: Metoclopramid oder Domperidon) und/oder mit Schmerzmitteln (u.a. mit Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen, Metamizol oder Paracetamol) kombiniert werden. Dadurch lassen sich die Begleiterscheinungen der Migräne häufig lindern.
Zuerst sollte bei Bedarf immer das Medikament gegen Übelkeit eingenommen werden, dies kann bereits während der Aura erfolgen. Diese so genannten Anitemetika schaffen nicht nur die Voraussetzung dafür, dass das Migräne- bzw. Schmerzmittel im Körper bleibt, sie regen auch die Magen-Darm-Tätigkeit an. Dadurch werden die Migräne- und Schmerzmittel vom Körper besser aufgenommen und wirken demzufolge auch schneller.
Medikamentöse Migräne-Vorbeugung
Ziel einer medikamentösen, vorbeugenden Behandlung der Migräne ist es, Häufigkeit, Dauer und Intensität von Migräneattacken zu vermindern. Außerdem versucht man auf diese Weise, das Risiko eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes, d.h. eines Kopfschmerzes der durch die Einnahme zu vieler Migräne- und Schmerzmittel ausgelöst wird, zu senken bzw. einen Missbrauch von Schmerzmedikamenten zu verhindern. Eine medikamentöse Migräne-Prophylaxe wird Patienten empfohlen, bei denen mindestens eine der folgenden Aussagen zutrifft:
- die Anfallsbehandlung führt bisher zu keinem befriedigendem Ergebnis;
- Sie haben mehr als drei Migräneattacken pro Monat;
- Sie vertragen die Medikamente zur Behandlung der Migräneattacke schlecht oder gar nicht;
- die Zahl der Migräneattacken nimmt bei Ihnen zu;
- Sie nehmen an mehr als 10 Tagen im Monat Schmerz- oder Migränemittel ein;
- die Lebensqualität ist durch die Migräne stark eingeschränkt
- bei Ihnen kommt es nach einer Migräne zu neurologischen Beschwerden, die länger als sieben Tage andauern.
Dies sind alles Richtwerte. Wichtig ist, wie sehr Sie durch die Migräne in Ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sind. Wenn Sie durch die Anfälle häufig krankgeschrieben sind oder sonstigen Tätigkeiten nicht nachgehen können oder wenn die Anfälle unerträglich sind, spricht dies für eine Migräne-Prophylaxe. Ihr Facharzt wird mit Ihnen die Vor- und Nachteile der Migräne-Prophylaxe in Ihrem Fall durchsprechen.
Eine medikamentöse Migräne-Prophylaxe erfolgt mit Medikamenten wie den so genannten, eigentlich zur Blutdrucksenkung verwendeten, Betablockern (Metoprolol, Propranolol) oder dem Calcium-Antagonisten Flunarizin bzw. Mitteln gegen Epilepsie Valproinsäure oder Topiramat. Wird mit diesen Arzneistoffen keine ausreichende Wirkung erzielt, kann der behandelnde Arzt andere Wirkstoffe wie z.B. Amitriptylin, Naproxen oder Pestwurz verordnen. Bei chronischer Migräne sind Topiramat und Injektionen von Boutlinumtoxin wirksam.
In einem Kopfschmerz-Tagebuch sollten Sie über vier Wochen jede Attacke und die jeweilige Medikation eintragen. Nur so lässt sich der Erfolg oder Misserfolg der Behandlung messen. Sie können das Tagebuch auch nutzen, um Situationen zu finden, die bei Ihnen Migräneattacken auslösen, so genannte Trigger. Die Meidung dieser Trigger ist natürlich auch eine mögliche Form der Selbstbehandlung und der Vorsorge.
Nicht-medikamentöse Migräne-Vorbeugung
Medikamente sind eine, aber nicht die einzige Möglichkeit zur Minderung der Anfallshäufigkeit bei der Migräne. Neben Verhaltenstherapie und Entspannungsverfahren eignen sich auch Ausdauersport und Akkupunktur zur Vorbeugung von Migräne.
Ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus ist hierfür ebenso unerlässlich wie das Einhalten von festen Mahlzeiten, damit der Blutzuckerspiegel nicht zu sehr schwankt. Mit Hilfe eines Kopfschmerz-Tagebuches können Betroffene ihre persönlichen Migräneauslöser ermitteln. Sind diese erkannt, können sie größtenteils vermieden werden. So kann man etwa den Klingelton des Telefons und der Haustür leiser stellen und bei hellem Wetter eine Sonnenbrille tragen. Auch regelmäßiger Sport kann die Häufigkeit von Migräneattacken senken. Wissenschaftlich belegt ist dies für Ausdauersportarten wie Schwimmen, Joggen oder Fahrradfahren.
Entspannungsverfahren können Migräne vorbeugen
Außerdem existieren eine Reihe verhaltenstherapeutischer Verfahren, die ebenfalls wirksam sind. Diese nicht-medikamentösen Therapien können auch ergänzend („komplementär“) und kombiniert zur medikamentösen Migräne-Prophylaxe eingesetzt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt eine „komplementäre“ Therapie für alle Patienten mit mehr als drei Migräneattacken pro Monat. Die wichtigsten Methoden sind heute:
- die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR);
- das „kognitive-behaviorale“ Schmerzbewältigungstraining (Stressmanagement)
- Biofeedback-Therapie;
Bei der Biofeedback-Methode werden biologische Signale wie z.B. der Blutdruck in sichtbare oder hörbare Signale umgesetzt und damit dem Patienten bewusst gemacht. Dadurch können Migräne-Patienten z.B. lernen, die Gefäßweite ihrer Blutgefäße der Kopfhaut willkürlich zu beeinflussen und dadurch die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Bei der PMR, die auch für Kinder sehr gut geeignet ist, trainieren Patienten gezielt – z.B. in Form von Fantasiereisen durch den Körper –, einzelne Muskelbereiche anzuspannen und wieder zu entspannen. Während des Stressbewältigungstrainings setzen sich die Betroffenen mit möglichen Stressfaktoren im Alltag und Beruf sowie ihren individuellen, automatisch ablaufenden Verarbeitungsweisen von Ereignissen – ihren so genannten kognitiven Prozessen – aktiv auseinander und versuchen, Strategien zur Bewältigung/Vermeidung zu entwickeln.
Multiple Sklerose (MS)
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche, nicht ansteckende Erkrankung des zentralen Nervensystems, d.h. das gesamte Gehirn und Rückenmark können betroffen sein. In der medizinischen Fachsprache wird diese als "Encephalomyelitis disseminata" bezeichnet, was so viel wie "verstreute Hirn- und Rückenmarksentzündung" bedeutet. Bei MS-Patienten werden durch das eigene Immunsystem Teile der Nervenfasern zerstört, die maßgeblich an der Weiterleitung von Impulsen beteiligt sind, aber auch Nervenfasern und -zellen selbst. Dadurch kommt es u. a. zu Lähmungserscheinungen, können Muskeln nicht mehr richtig koordiniert oder Sinnessignale nicht korrekt weitergegeben werden.
Meist treten die ersten MS-Symptome im Alter von 20 bis 40 Jahren auf. Obwohl Ersterkrankungen immer häufiger auch schon bei Kindern, Jugendlichen und nach dem 45. Lebenjahr auftreten. Es gibt verschiedene Verlaufsformen, eine schubförmig remittierende Verlaufsform, eine sekundär progrediente Verlaufsform und eine primär progrediente Verlaufsform. Die Ausprägung der MS ist ausgesprochen heterogen, so ist bei milder Ausprägung eine Beeinträchtigung im Alltagsleben kaum spürbar, bei den schwereren hingegen ist die körperliche und psychische Gesundheit erheblich betroffen. MS ist die häufigste neurologische Erkrankung, die im jungen Erwachsenenalter zu bleibender Behinderung und vorzeitiger Berentung (ca. ein Drittel der Patienten) führt.
Weltweit leiden ca. 2 Millionen Menschen an Multipler Sklerose, in Deutschland etwa 120.000 - 150.000. Die jährliche Neuerkrankungsrate (Inzidenz) beträgt 3,5-5 pro 100.000 Einwohner und zeigt sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend. Frauen erkranken dreimal häufiger an einer schubförmig verlaufenden MS, bei der primär progredienten Verlaufsform sind Männer und Frauen gleich häufig betroffen. Eine Heilung der Krankheit ist zurzeit nicht möglich, wohl kann aber bei einigen Patienten die Erkrankungsaktivität kontrolliert werden und damit der Verlauf gebremst und die Symptome gelindert werden.
Bei möglichen Anzeichen einer Multiplen Sklerose klärt der Neurologe/Nervenarzt zunächst im Rahmen einer ausführlichen neurologischen Untersuchung zahlreiche andere Erkrankungen, wie z. B. eine Borreliose, HIV-Infektion, Sarkoidose oder Gefäß- und Stoffwechselerkrankungen, die ebenfalls als Ursache für die Symptome in Frage kommen, ab.
Weiter ist auch eine Untersuchung der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (Liquoruntersuchung) u. a. zur Analyse bestimmter Eiweiße und Zellen sowie eine Kernspintomographie (MRT) notwendig, um die Diagnose zu sichern. Elektrophysiologische Messungen gehören ebenfalls zur Diagnostik - insbesondere die Bestimmung der Leitungsfähigkeit der Sehnerven durch so genannte evozierte Potentiale.
Der Neurologe/Nervenarzt kennt genau die definierten Kriterien, welche bezüglich der Anzahl und der zeitlichen Verteilung der Befunde erfüllt sein müssen, bevor man von einer Multiplen Sklerose spricht. Insgesamt ist die Diagnosestellung nach den neuesten international anerkannten Kriterien bereits nach einem ersten Krankheitsschub bei entsprechenden Hinweisen durch die weiteren
Eine ursächliche Therapie der Multiplen Sklerose ist derzeit nicht bekannt. Ziel der Behandlung beim Neurologen/Nervenarzt ist es daher, das Ausmaß der Entzündungsreaktionen zu reduzieren, die funktionellen Einschränkungen zu stabilisieren sowie die Begleitsymptome zu bessern. In der Therapie der Multiplen Sklerose werden zwei „Therapiesäulen“ unterschieden. Zum einen die „Schubtherapie“ und zum anderen die vorbeugende „immunprophylaktische Therapie“. Die Schubtherapie behandelt den akuten Schub. Durch die „immunprophylaktische Therapie“ wird sowohl die Anzahl als auch die Schwere von Schüben reduziert. Sie hat zum Ziel, eine mögliche spätere Behinderung zu verhindern bzw. zu verzögern. Aus diesem Grund wird die Therapie heutzutage auch möglichst früh begonnen.
Während eines akuten MS-Schubes wird in der Regel zur Entzündungshemmung hochdosiertes Cortison (in Form so genannter Corticosteroide wie Methylprednisolon) eingesetzt. Bei unzureichender Rückbildung der Beschwerden wird die Cortisonbehandlung in höherer Dosis wiederholt. Sollte auch dies zu keinem Erfolg führen wird eine Blutwäsche, die so genannte Plasmaseparation, durchgeführt.
Zur Vorbeugung von Schüben unterscheidet man verschiedene Therapiestufen.
Unterschieden wird dabei zwischen der Therapie „milder/moderater“ oder „(hoch)aktiver“ Verlaufsformen der MS, für die unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten in Frage kommen.
- Basistherapie bei milder/moderater Verlaufsform
Bei einer milden/moderaten Verlaufsform werden so genannte Beta-Interferone oder Glatirameracetat eingesetzt. Diese immunmodulatorischen Medikamente hemmen schädigende und fördern aber z. T. auch schützende Prozesse des Immunsystems. Darüber hinaus sind seit 2013/14 die Substanzen Teriflunomid und Dimethylfumarat (DMF) als Behandlungsoption für MS-Patienten mit schubförmigem Verlauf zugelassen. Beide Substanzen haben vorwiegen entzündungshemmende Eigenschaften, wirken aber unterschiedlich. Das Immunsuppressivum Azathioprin kommt nur noch in absoluten Ausnahmefällen als Alternative zum Einsatz. In sehr seltenen und dann gut begründeten Ausnahmefällen (z. B. Schwangerschaft oder Stillzeit) können auch intravenöse Immunglobulinpräparate eingesetzt werden.
- Eskalationstherapie bei (hoch)aktiver Verlaufsform
Bei Patienten mit einem (hoch)aktiven Verlauf (d. h. viele, schwerwiegende Schubereignisse in kurzer Zeit oder/und (hoch)aktives MRT) bzw. bei Patienten die nicht ausreichend auf die Basisimmuntherapeutika ansprechen, notwendig werden. Die Medikamente dieser Therapiestufe sind wirksamer als die Therapien für milde/moderate Verläufe, aber auch mit höheren Risiken verbunden.
Infrage kommt hier die monatliche Infusionstherapie mit dem monoklonalen Antikörper Natalizumab. Dieser verhindert - über Neutralisierung eines Integrinmoleküls - das Einwandern von Immunzellen (weiße Blutkörperchen) in die Entzündungsherde des ZNS (zentrales Nervensystem, bestehend aus Gehirn und Rückenmark). Seit 2011 ist mit Fingolimod ein weiteres Medikament als Eskalationstherapie zugelassen. Durch die Blockade eines bestimmten Rezeptors auf Immunzellen, dem Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptor, werden die Immunzellen in den Lymphknoten zurückgehalten und damit ebenfalls an der Einwanderung ins ZNS gehindert. Fingolimod wird einmal täglich als Kapsel oral eingenommen.
Seit 2013 ist der Wirkstoff Alemtuzumab zur Therapie der schubförmigen Muliplen Sklerose bei erwachsenen Patienten zugelassen. Dabei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, dessen Wirkung in einer nachhaltigen Elimination von T- und B-Zellanteilen (Immunzellen) im Immunsystem führt. Es wird hier nur 1 Infusionszyklus pro Jahr durchgeführt, und das zunächst nur 2x insgesamt.
Selten und nur alternativ kommen auch Immunsuppressiva in Frage, wie sie bei einer Krebserkrankung (z. B. Mitoxantron oder Cyclophosphamid) eingesetzt werden. Dabei sind häufige Blutbildkontrollen wichtig, da diese Substanzen in Herstellung und Reifung des Blutzellsystems eingreifen.
Zur Verhinderung des weiteren Voranschreitens einer sekundär progredienten Multiplen Sklerose kommt die Gabe von Mitoxantron infrage. Bei weiter bestehenden Schüben werden auch Beta-Interferone eingesetzt. Alternativ (manchmal auch additiv) bewirken rekurrierende Cortisonpulstherapien auch häufig zwischenzeitliche symptomatische Verbesserungen.
Ein Drittel der Betroffenen hat zeitlebens einen günstigen Verlauf der Krankheit, ein weiteres Drittel leidet unter Behinderungen, die Selbstständigkeit bleibt jedoch erhalten. Für ein Drittel der Patienten bringt die Multiple Sklerose schwere Behinderungen mit sich, im Extremfall auch den Tod. Es sind aber nach 25 Jahren Krankheitsdauer - bei entsprechender Behandlung - im Schnitt noch gut 30% der Patienten arbeitsfähig und sogar noch etwa 65% der Patienten gehfähig. Eine eindeutige Aussage über Verlauf und Schweregrad der Krankheit lässt sich für den Einzelnen aber leider kaum treffen. Insbesondere kann nicht vorausgesehen werden, welche Körperfunktionen im Verlauf wie stark betroffen sein werden oder ob es zwischenzeitlich zu einer Besserung kommt.
Die Multiple Sklerose ist zwar eine schwere Krankheit, deren Verlauf sich jedoch mit Hilfe von modernen Therapiemöglichkeiten und nicht zuletzt der Unterstützung durch das soziale Umfeld des Patienten lange herauszögern und verbessern lässt. Die konsequente Behandlung psychiatrischer Begleiterkrankungen wie Depressionen oder chronische Erschöpfungszustände verbessern die Lebensqualität entscheidend. Durch die voranschreitende Weiterentwicklung und den immer frühzeitigeren Beginn der Therapie wird sich auch die Prognose der Erkrankung wahrscheinlich weiter deutlich verbessern.